Alexander – Erfahrungsbericht, Teil 2: Von der „Behinderung“ Hochbegabung

Jedes Kind ist anders. Man kann zehn Kinder haben und trotzdem ist jedes anders, obwohl es dieselben Eltern hat. Diese Sprüche kennt jeder.
Unser jüngster Sohn Alexander (2009 geboren) fiel uns schon sehr früh durch seine „Andersartigkeit“ auf, die wir so von seinen beiden Geschwistern nicht kannten. Diese zeigte sich schon früh in logischen Gedankenschlüssen, denen andere nicht folgen konnten, oder dem Finden kausaler Zusammenhänge.
Schon mit zwei Jahren bediente er jedes elektronische Gerät, löste Puzzle, die sein 16 Minuten älterer Zwillingsbruder aus Wut über die Schwere und scheinbare Unlösbarkeit vom Tisch fegte. Wenn er sich unverstanden fühlte, schrie er und war kaum zu beruhigen. Er befand sich wie in einer endlosen Schleife – er wollte nachgeben, aber wenn ein Kompromissangebot da war, lehnte er es ab, und das Spiel artete zum Machtkampf aus. Schwer für uns Eltern, konsequent zu bleiben und schwer für die Geschwister, das mitzuerleben. Wir nennen diese Zustände „Nein-Anfälle“, die sich bis zum Mai 2021 in größer werdenden Abständen fortsetzten.
Alexander sprach in den ersten zwei Jahren kaum ein Wort. Seine ältere Schwester und sein Zwillingbruder regelten alles für ihn. Sprechen konnte er jedoch perfekt, aber nur, wenn mit seinen Autos und Kuscheltieren allein im Zimmer war.
Seine Introvertiertheit musste er in Kindergarten und Schule in getrennten Klassen von seinem Zwilling aufgeben, und er schloss nur sehr schwer Freundschaften. Oftmals weinte er abends vor dem Schlafengehen. denn er hatte das Gefühl, keiner seiner Klassenkameraden verstehe ihn und er teile nicht deren Interesse für Playmobil oder Pokemon. Dies zog sich durch seine Grundschulzeit.
Am Abend gab es Tränen, da niemand mit ihm über schwarze Löcher reden wollte, er statt angesagter Comics lieber das Techniklexikon las, er zu Weihnachten und Muttertag nicht malte, sondern Geschenke lötete und hobelte und für jedes Familienmitglied etwas Eigenes entwarf… Das größte Drama war: Niemand von den Erwachsenen glaubte ihm, dass er in der Lage sei, Strom aus dem All zu holen. Er entwarf Pläne und Zeichnungen und wollte sogar zur ESA nach Darmstadt fahren.
Mit dem Wechsel auf das Gymnasium zur 5. Klasse wiesen uns nun auch die Lehrer darauf hin, unseren Jüngsten doch einmal bezüglich seiner Begabungen testen zu lassen. Es war eine schwierige Entscheidung für uns, gab es doch den gleichaltrigen Zwillingsbruder. Um jedoch Alexander eine Förderung bezüglich seines technischen Talentes zu ermöglichen, entschieden wir uns dafür.
Mit dem nun „bestätigten“ hochbegabten Kind wurden jedoch die Sorgen und Nöte nicht geringer. Vom Förder-Verein Pfiffikus erhielten wir den Rat, uns an Frau Dagmar Schilling zu wenden und uns bei dem Mentoring-Programm Fibonacci zu bewerben.
Gesagt, getan. Wir suchten zudem Kurse in der Begabtenförderung und versuchten Alexander nach allen Kräften zu unterstützen, doch dann kam die Corona-Pandemie. Nichts ging mehr…
Aus der Not heraus unterstützten wir unseren Sohn, und er elektrifizierte unseren Puki-Tretroller, der nun mit knapp 25 km/h durch den Garten saust.
Im Frühjahr 2021 kam der erlösende Anruf! Sie hatte einen geeigneten Mentor für Alexander gefunden, allerdings sei das Mentoring nur via Zoom-Meeting möglich, da dieser Mentor knapp 600 km von Berlin entfernt wohne und wegen der Corona-Pandemie Meetings derzeit auch nur online möglich seien.
Das war ein solches Geschenk! Mentor und Mentee passen perfekt zueinander und die wöchentlichen Meetings lassen Alexander aufleben. Er fiebert jede Woche auf dieses Onlinemeeting hin mit Stefan Brückmann und hat selbst im Urlaub immer den PC dabei, damit er jeden Dienstag sein Meeting wahrnehmen kann. Endlich hat Alexander jemanden, mit dem er auf Augenhöhe über die Dinge sprechen kann, die ihn bewegen. Mehr noch – inzwischen gab es mehrere persönliche Treffen, trotz der nicht unerheblichen Entfernung. Auch dort stimmte sofort die Chemie und persönlich wurde die Vertrautheit und Verbundenheit zwischen Mentee und Mentor noch einmal stärker. Gemeinsam haben sie eine Alarmanlage gebaut, dann eine App programmiert und einen 3D-Drucker bestellt und mit entsprechenden Programmen gearbeitet, 3D-Modelle entworfen, entwickelt und nützliche Dinge gedruckt.
Dieses Online-Mentoring ist sicherlich ungewöhnlich und neu und besonders hilfreich in der Pandemie, aber nach unserer Erfahrung ist es für ein technikaffines Kind überhaupt kein Problem. Ob es draußen stürmt oder schneit, Alexander erkältet ist in Jogginghose oder mit dem Müsli in der Hand – er kann immer da sein und erhält den notwendigen Input.
Notwendigen Input in dem Sinne, dass auch seine soziale Kompetenz durch die Zeit mit Stefan Brückmann gereift ist. Seit Beginn der Meetings vor einem Jahr gab es keine „Nein-Anfälle“ mehr, Alexander ist kompromissbereiter und weniger egozentrisch geworden. Er zeigt mehr Empathie für andere Menschen und versucht sich auf sie einzustellen. Auch hat er gelernt, neue Wege zu gehen und sich Dinge systematisch zu erarbeiten.
Wir sind Frau Schilling unendlich dankbar für diese Idee und die passende Förderung unseres Sohnes. Es ist schön, dass es dieses Programm gibt und Kinder mit besonderen Talenten so unterstützt werden können.
Unser besonderer Dank gilt Herrn Stefan Brückmann für seine Geduld, Zeit, Güte, die er Alexander schenkt. Uns Eltern ist er ein wertvoller Berater und gern gesehener Gast in Berlin geworden.
Vielen, vielen Dank!

Alexander – Erfahrungsbericht II
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