Mentoring mit einer Planetenforscherin
Bericht einer Mutter
Unsere Tochter war ein interessiertes, fröhliches Kind, bis sie in die Schule kam. Emilia freute sich sehr auf die Schule. Schnell fing sie allerdings an, Schule blöd zu finden. „Die denken, ich bin doof. Die glauben mir nicht, dass ich schon schreiben kann. Ich hasse Schule. Bitte, lass mich zu Hause lernen. Ich lerne alleine viel mehr als dort. Ich glaube, ich bin die allerdümmste in der Klasse.“ – das waren Aussagen, die wir immer öfter von ihr hörten. Als ihre Leistungsbereitschaft mehr und mehr abfiel und sie dann auch häufig über Bauchschmerzen klagte und der Lehrerin auffiel, dass sie sich viel mit Mitschülerinnen und Mitschülern stritt, gingen wir auf Anraten der Lehrerin zu einer Psychologin. Schnell schlug diese einen IQ-Test vor. So erfuhren wir, dass unsere Tochter höchstbegabt ist. Sie konnte daraufhin die zweite Klasse überspringen. Das half einige Monate lang. Sie ging wieder lieber in die Schule, erledigte ihre Hausaufgaben und war auch zu Hause ausgeglichener.
Schon bald ging es Emilia wieder schlechter. Es war ein Auf und Ab. Ihre neue Lehrerin war prinzipiell aufgeschlossen und kannte die Herausforderungen von hochbegabten Kindern. Sie sagte aber auch deutlich, dass sie unser Kind nicht extra fördern könne. Wenn unsere Tochter zusätzliche Referate oder Projekte machen will, dann kann sie das. Sie hat aber keine Kapazitäten, um mit ihr gemeinsam auf sie abgestimmte Lerninhalte vorzubereiten. Oder, wie die Psychologin vorschlug, einmal die Woche Lernziele zu vereinbaren und zu besprechen. Unser Kind wollte nicht auffallen. Sehr bedacht wog sie ab, was wohl die anderen Kinder denken würden, wenn sie ein Referat über ein Thema hielt, das sie interessierte. Meistens entschied sie sich dafür, es nicht zu machen.
War unser Kind zu Kitazeiten noch sehr experimentierfreudig und hatte große Lust, alles Mögliche auszuprobieren, änderte sich das nun deutlich. Früher hat sie quasi immer begeistert zugestimmt, wenn wir ihr Sportkurse, einen Workshop in einem Museum oder ein neues Buch, Spiel oder Hörspiel vorschlugen. Manchmal wunderten wir uns schon, wie mutig sie immer wieder neue Sachen ausprobieren wollte. Unser Eindruck war, dass sie nun Angst entwickelte, irgendetwas nicht gleich zu können. Also wollte sie es erst gar nicht ausprobieren. Falls sie es doch probierte, war sie schnell frustriert, wenn es nicht sofort funktionierte. Schlugen wir etwas Neues vor, wurde sie wütend und lehnte es meistens kategorisch ab. Gleichzeitig war dieses Neue, was sie entdecken konnte, auch das einzige, was sie ausgeglichen und glücklich machte. Irgendwie ein Teufelskreis.
Immer wieder suchten wir nach irgendwas, was ihr und uns helfen könnte. Wir ließen uns ab und zu von einer Psychologin beraten. Das tat für den Moment gut. War aber recht teuer und wir konnten es uns nicht regelmäßig leisten. Eine Zeit lang trafen wir uns mit anderen Familien, die auch hochbegabte Kinder in dem Alter unserer Tochter haben. Wir machten verschiedene Aktionen und die Kinder verbrachten einfach Freizeit miteinander. Allerdings waren in der Gruppe, bis auf ein anderes Mädchen nur Jungen. Es passte schnell nicht mehr. Kurse und Workshops wollte unsere Tochter wie gesagt nicht machen. Immer wieder bat sie uns, nicht in die Schule gehen zu müssen. Wir fühlten uns alleine und hilflos und überfordert. Unserem Kind ging es schlecht. Sie war oft traurig, oft sehr wütend und wir wussten nicht, wie wir helfen konnten.
Irgendwann stießen wir auf das Fibonacci-Programm. Zuerst wollte unsere Tochter davon nichts wissen. Als ich ihr die Mentorin beschrieb, die Frau Schilling für sie gefunden hatte, ließ sie sich auf einen unverbindlichen Spieleabend ein. Sofort war klar, dass die beiden einen guten Draht zueinander hatten.
Sie treffen sich mittlerweile seit einem halben Jahr. Die Mentorin ist eine kluge, tolle, sympathische und offene junge Frau und unsere Tochter mag sie sehr gerne. Die beiden sprudeln vor Ideen für gemeinsame Unternehmungen. Sie waren klettern, machen Geocaching, spielen komplexe Computerspiele, backen Muffins, zeigen sich gegenseitig Bücher und Kabarettisten oder youtube-Kanäle, die sie mögen. Sie waren im Naturkundemuseum und auf einer „Fridays for Future“-Demo und sie erkunden Berlin auf dem Rad. Manchmal erzählt die Mentorin unserer Tochter von ihren Forschungen rund um den Mond. Unsere Tochter liebt diese Treffen. Mit der Mentorin traut sie sich vieles wieder zu. Sie tüfteln lange an Computerspielen und unser Kind kommt begeistert und mit roten Backen nach Hause und ist stolz, ein Level weiter gekommen zu sein.
In der Vergangenheit haben wir immer wieder erlebt, dass Erwachsene irgendwie ängstlich und unsicher im Umgang mit unserem Kind waren. Die Großeltern beispielsweise. Sie fürchten sich vor Wutausbrüchen, vor Diskussionen. Die Mentorin begegnet unserer Tochter auf Augenhöhe und offen. Sie hört aufmerksam zu und greift ihre Ideen auf. Sie stärkt die Stärken unseres Kindes und sucht nach für sie Bedeutsamen. Das greift sie auf. Sie gibt Input, ohne die Treffen zu dominieren. Sie nimmt sich viel Zeit und geht in Beziehung.
Das Mentoring tut unserem Kind so gut. Es hat eine Bezugsperson gewonnen, die vieles versteht, was sie beschäftigt. Sie ist stolz darauf und erzählt oft auch in der Schule von Dingen, die sie gemeinsam unternommen haben. Wir haben den Eindruck, dass die Treffen und die Mentorin unser Kind inspirieren. Es scheint sie irgendwie auch zu beruhigen, eine junge Frau zu kennen, die ihr in vielem so ähnlich ist. Sie merkt beispielsweise, dass es in Ordnung ist, sich für Dinge zu interessieren, die ungewöhnlicher sind. Sie hat ein tolles Referat über die aktuelle Mondforschung in der Schule gehalten. Ganz alleine hatte sie die Idee dazu und einen Termin mit dem Lehrer vereinbart und sich Power Point angeeignet. Bis tief in die Nacht hat sie die Präsentation vorbereitet und am nächsten Tag gehalten. Ihr Lehrer hat uns am nächsten Tag eine Mail geschrieben: „Sie war wunderbar“. Seitdem hat sie angefangen, immer wieder freiwillig Referate zu halten und damit ihre Noten zu verbessern. Sie hat sich entschieden, in eine Schnelllernerklasse zu wechseln. Sie wird selbstbewusster und fröhlicher.
Es ist toll, dass es da noch einen Erwachsenen für sie gibt, dem sich unsere Tochter öffnet und der mit uns gemeinsam dafür sorgt, dass es ihr gut geht. Wir machen nun immer wieder die Erfahrung, dass sie wieder begeistert ist, dass es ihr gut geht, dass sie Strategien findet, um die Zeit in der Schule gut für sich zu nutzen. Wir sind unendlich dankbar und können unser Glück gar nicht fassen. Sie hat durch das Zusammensein mit ihrer Mentorin für sich wiederentdeckt, dass es sich lohnt, Neues auszuprobieren, dass es Spaß macht, an etwas zu tüfteln, was auch erstmal anstrengend ist. Auch, dass sie so angenommen wird, wie sie ist, ist unbezahlbar.